Tagungsbericht zum VHÖ Herbstseminar 2018

Tagungsbericht zum VHÖ Herbstseminar 2018
Veranstaltungen

Unter dem Motto „Rückblick und Ausblick“ begrüßten Fritz Zajicek und VHÖ-Präsident Thomas Aigner am Freitag 16. November 2018 im Wiener IBIS Hotel Mariahilf weit über 50 Seminarteilnehmer – passend zum 50jährigem VHÖ Jubiläum. In seiner Begrüßungsrede gedachte Zajicek der Gründung der VHÖ im Jahr 1968 in Baden bei Wien.

Fritz Zajicek

VHÖ-Präsident Aigner erinnerte im Anschluß an die Grundwerte der VHÖ, die unter anderem die Förderung von Aus- und Weiterbildung, Erarbeitung von Empfehlungen, fachlicher Beratung von Mitgliedern und vieles mehr enthalten.

Thomas Aigner

Aigner berichtete zudem über den geplanten Relaunch der VHÖ Homepage, welche im kommenden Jahr durchgeführt werden soll. Schwerpunkt der Tagung waren traditionell die Fachvorträge, welche über den gesamten Tag abgehalten wurden.

Die Entwicklung der Otoplastik
DI Ulrich Voogdt, Lübeck 

Der bekannte Otoplastik Experte DI Ulrich Voogdt gab passend zum 50jährigen VHÖ Jubiläum einen durchaus auch kurzweiligen Rückblick zur Geschichte der Otoplastik in den letzten 50 Jahren. Insbesondere die ersten “Schritte” der Ohrabformungen in den 60ern des letzten Jahrhunderts waren durchwegs auch einzigartig und bildeten letztendlich die Basis für die heutige Art der Anwendungen.

Ulrich Voogdt

Voogt berichtete zudem über die ersten „Geh-Versuche“ mit Gips, über die 90° Regel bis hin zur Self Discovering Hold (SDH). Im zweiten Teil seines Vortrages ging Voogt dann noch näher in die Entwicklung von Materialien und Otoplastik Bauformen in den letzten Jahrzehnten ein.

Otoplastiken modellieren heute – Live-Demo
Peter Salat, GN Hearing Wien

Neben der Effizienz, der Umweltfreundlichkeit und der Reproduzierbarkeit bietet die digitale Fertigung auch den Vorteil audiologische Parameter und die Formgebung (mit Wandstärken bis 0,1mm) in der Modelliersoftware mit zu berücksichtigen.  Im Weiteren seines Vortrages und Demos präsentierte Peter Salat die Möglichkeiten der Modellierung mittels der Secret Ear Designer Software von Cyfex.

Peter Salat

So stehen bei der Modellierung mit dieser Software unterschiedliche Vorlagen (Templates) zur Verfügung. Fertigungsaspekte – wie zum Beispiel die Anbringung eines Hohlkanals über einen Knick hinweg – sind mit Fräsern nicht realisierbar. Mit einer Modelliersoftware allerdings sehr wohl. Die Vorteile dieser Fertigung wurden eindrucksvoll dargestellt. 

Im Anschluß des Vortrages folgte im Auditorium eine angeregte Diskussion hinsichtlich den Vor- und Nachteilen der digitalen und konventionellen Otoplastikfertigung. Die Technologie wird noch spannender, wenn auch der Gehörgang des Kunden digital gescannt und im Modellierungsprozess berücksichtigt werden kann, so die einhellige Meinung.

Präskriptive Anpassformeln – einst, heute – und in Zukunft?
Prof. Dr. Steffen Kreikemeier, Hochschule Aalen

Knapp 60 Prozent der Hörsysteme befinden sich nach dem ersten Besuch beim Hörakustiker in der „First-Fit“ Anpassung. Nach der zweiten Sitzung verbleiben immer noch 51 Prozent softwaremäßig im „First-Fit“ Modus, so Prof. Dr. Kreikemeier.

Steffen Kreikemeier

Im Weiteren hinterfragte der Referent wie die „richtige“ Verstärkung gefunden werden kann. So ist die Verstärkung letztendlich vom Eingangssignal abhängig. Einige wollen wohl Sprache verstehen, manchmal aber lieber „Komfort“ haben. Der Spagat zwischen diesen beiden Anforderungen stellt eine große Herausforderung für Hörakustiker dar.

Die erste Version von NAL – welche diesen Spagat ansatzweise berücksichtigte – wurde 1976 entwickelt.  Mit NAL-NL1 wurde die effektive Hörbarkeit eingeführt. Bei NAL-NAL2 wird die Insertion Gain für jede 1/3 Oktave von 125Hz bis 8000 Hz berücksichtigt. Auch werden Reintöne und Sprache berechnet. Zudem berücksichtigt NAL-NAL2 ein  Lautheitsmodell. Männer und erfahrene Nutzer bekommen bei diesem Modell etwas mehr Verstärkung als Frauen. Kinder erhalten des Weiteren eine 5db höhere Verstärkung bei mittleren Eingangspegeln gegenüber Erwachsenen.

Unterschiedliche Hersteller folgen – trotz gemeinsamer Anwendung der NAL-NAL2 Formel – unterschiedlichen Präskriptionen. Die Vorberechnung der MPO (maximum output pressure) fallen demnach ebenfalls sehr unterschiedlich aus. Hörsystemanpassungen in der Simulation der Anpass-Software können in dem Zusammenhang sehr hilfreich sein, so Kreikemeier.

Zum Ende seines Vortrages gab der Referent einen Ausblick über die Präskriptionen und Anpassungen in der Zukunft. So könnten Sensoren in „wearables“ wie Smartwatches in naher Zukunft Informationen aufnehmen und unter Umständen auch Einfluss in „on the fly“ Einstellung in Hörsysteme vornehmen. Zusammenfassend betonte Kreikemeier die Wichtigkeit der Kombination aus  Kompetenz der Hörakustiker und Technik.

Das deutsche Hörakustiker-Berufsbild und die Änderungen durch die Ausbildungsordnung 2016
Marcus Nissen, Akademie für Hörakustik Lübeck

Das neue deutsche Ausbildungsberufsbild beziehungsweise die Struktur der Berufsausbildung ist in der deutschen HörAkAusbV geregelt. In der neuen Version wurden unter anderem Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten handlungsorientiert formuliert. Die ehemals 23 Punkte wurden auf 16 gestrafft und zusammengeführt. Weniger zeitgemäße Kompetenzen – wie das Löten – sind in Deutschland bei der Ausbildung zur Gesellenprüfung entfallen. Andere Kompetenzen – wie etwa das dreidimensionale Abbilden des äußeren Ohres und das Service von Hörassistenzsystemen wurden neu formuliert beziehungsweise neu aufgenommen.

MARCUS NISSEN

Unverändert ist, dass zum Ende des zweiten Ausbildungsjahres eine Zwischenprüfung abgehalten wird. Prüfungsinhalte stellen das dreidimensionale Abbilden nebst Arbeitsprobe und audiologische Kenndaten nebst schriftlicher Prüfung und Arbeitsprobe dar. 

So werden im ersten Teil bei der Gesellenprüfung audiologische Kenndaten eines Kunden erhoben und es muss innerhalb von 90 Minuten eine schriftlich Aufgabe und innerhalb von 15 Minuten eine Arbeitsprobe abgeliefert werden. Der schriftliche Teil wird mit 60 Prozent und der praktische Teil mit 40 Prozent bewertet.

Der zweite Teil ist nur praktisch. Es muss innerhalb von 70 Minuten eine Arbeitsaufgabe zur dreidimensionalen Abbildung des äußeren Ohres und Otoplastiken abliefert werden. Die Prüfungswerberinnen und Prüfungswerber nehmen dabei an sich gegenseitig eine Abformung. Im Anschluß daran wird eine Otoplastik angefertigt. Wenn in diesem Prüfungsteil nur ein “mangelhaft” erreicht wird, dann darf kein weiterer Prüfungsbereich unter 50 Prozent liegen. Bei einem “ungenügend” ist die gesamte Prüfung nicht mehr zu bestehen. Aus diesem Grund wird zusätzlich zur Ausbildung für die Gesellenprüfung eine optionale, kostenpflichtige Möglichkeit zu Fräskursen in Lübeck bestehen.

Der dritte Teil der Prüfung umfasst eine Hörsystemanpassung in 90 Minuten und eine Kundenberatung in 30 Minuten. Aufgrund des vorliegenden Hörbedarfs wird eine Vorauswahl der Hörsysteme und Hörassistenzsysteme getroffen und einer vergleichenden Anpassung zugeführt.

Teil vier umfasst Servicemaßnahmen mit dem Zeitrahmen von 100 Minuten, welcher die die Nachversorgung von Kunden spiegelt. Der Prüfling soll eine Arbeitsaufgabe durchführen und mit praxisbezogenen Unterlagen dokumentieren. Des Weiteren ist ein schriftlicher Prüfungsteil integriert.

Der fünfte und letzte Teil ist dem Bereich Wirtschafts- und Sozialkunde gewidmet, dem 60 Minuten zur Verfügung steht.

Interessant ist, dass in Deutschland ein mündlicher Prüfungsteil von Haus aus nicht vorgesehen ist und Zeugniserläuterungen nicht nur in Deutsch sondern auch in Englisch und Französisch verfasst sind.

Österreichische Ausbildungsstätten präsentieren sich



Tiroler Fachberufsschule für Fotografie, Optik und Hörakustik, Hall in TirolOHI GmbH Optometrie & Hörakustik Initiative, Wien
Christoph Kappeller und  Ing. Markus Rainer



OHI GmbH Optometrie & Hörakustik Initiative, Wien

OHI GmbH Optometrie & Hörakustik Initiative, WienHarald Belyus, MSc und Walter Gutstein, PhD



WIFI Tirol, Innsbruck
Arne IsraelArne Israel

Erstmalig gaben alle drei österreichischen Hörakustikschulen zugleich Einblicke in deren Strategien und Visionen für die Zukunft. Die Kurzvorträge waren insgesamt sehr inspirierend und haben gezeigt, dass alle Ausbildungsstätten gut gewappnet für die Zukunft sind und zudem mit einem hohen Elan laufend an der Qualitätssicherung in der Ausbildung arbeiten.   

Fritz Zajicek und VHÖ-Präsident Thomas Aigner blickten gegen Ende der Tagung auf 50 Jahre VHÖ zurück und bedankten sich für die rege Teilnahme. Am Abend fand ein feierlicher Festakt im Haus der Musik statt, an dem die VHÖ nochmals gewürdigt wurde.

Infos zu kommenden Veranstaltungen der VHÖ finden Sie direkt auf der Homepage vom Verband der Hörakustiker Österreichs: www.vhoe.at

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